Wie du Spiel unter Hunden erkennst

Wie du Spiel unter Hunden erkennst von Uli Seumel www.dogitright.de

Jeder weiß, was Spiel ist. Jeder erkennt Spiel auf Anhieb – oder? Ich habe viele Seminare besucht, viele Hunde beobachtet, mit Hilfe von Fotos und Videos meine Augen trainiert und dennoch ist es nicht immer leicht, Spiel von Ernst zu unterscheiden.

Unsere Rhodesian Ridgeback Hündin Amaru, besser bekannt als Ami, spielt sehr gern. Im Spiel mit anderen Hunden hat sie es nicht leicht, denn andere Hunde sind für sie auch gefährlich. Meine Augen und meine Entscheidungen müssen schnell sein, um blöde Situationen zu vermeiden und um das beste für das Training herauszuholen. Das ist nicht immer leicht, denn ich möchte ihr Kontakt und Spiel ermöglichen.

Deshalb habe ich für dich eine 9-Punkte-Checkliste entwickelt, die dir hilft Spiel unter Hunden zu erkennen.

Was ist Spiel?

Vorweg – es existiert keine einheitliche Definition. Das sind du und ich im Hundetraining schon gewohnt.

Mir persönlich gefällt die Definition von Gordon Burghardt am besten, weil sie absolut schlüssig ist.

“Spiel ist wiederholtes, funktionell unvollständiges Verhalten, dass sich strukturell von der ernsthaften Version unterscheidet und freiwillig vom Hund in stressarmer Umgebung initiiert wird.

Warum ist Spiel so wichtig?

Spiel ist wahnsinnig wichtig und das nicht nur, weil spielende Tierkinder so niedlich sind. Spielen hilft bei der Entwicklung des jungen Hundes und hilft ihm sein ganzes Hundeleben lang, sich an Situationen anzupassen.

Flexibilität

In der neueren Literatur wird betont, dass Spielen Verhalten flexibel erhält. Der Hund lernt sich schnell anzupassen und sich auf seinen Kommunikationspartner einzustellen. Wer spielt, bleibt geschmeidig.

Kommunikation

Während des Spiels übt dein Hund die Feineinstellung von Signalen. Eine wichtige Fähigkeit des Hundes im Kontakt mit Artgenossen ist der Einsatz des Blickkontaktes. Der Austausch von kurzen Blicken wird im Spiel trainiert. Ich denke, dir ist klar, wie wichtig das ist. Es gibt für viele Hunde nichts schlimmeres als einen starrenden Artgenossen, der sie nicht aus den Augen lässt.

Körperliche und mentale Herausforderung

Dein Hund kann beim Spielen Muskulatur aufbauen und seine motorischen Fähigkeiten entwickeln und erhalten. Ganz nebenbei verbessert er auch seine Reaktionsgeschwindigkeit. Auch wenn das für dich nicht immer von Vorteil ist.

Durch das ausgelöste Erkundungsverhalten bei Objektspielen kann dein Hund seine Neugier befriedigen und sein Gehirn stimulieren.

Soziale Beziehungen aufbauen und festigen

Spiel kann Stress abbauen. Einzelne Untersuchungen an Tieren und Menschen zeigen, dass durch Spiel das Stresshormon Cortisol abgebaut wird.

Außerdem macht Spielen einfach Spaß – Spielen wird ein eigenes Netzwerk an Neuronen im limbischen System zugeordnet. Jaak Panksepp gab dieser Emotion den Namen PLAY.

Deshalb solltest du deinem Hund zum Spiel verhelfen. Doch nicht alles, was gut gemeint ist, kommt auch gut beim Hund an.

Wie du Spiel bei deinem Hund erkennen kannst

Du gehst extra auf die Hundewiese, damit dein Hund mit anderen spielen kann, aber irgendwie hast du kein gutes Bauchgefühl. Du bist unsicher – ist das Spiel, was ich hier sehe.

Meine 9-Punkte-Checkliste hilft dir Spiel zu erkennen. Solltest du nicht alle Punkte der Checkliste abhaken können, dann sei aufmerksam und beobachte das Geschehen weiter, um ggf. deinen Hund abzurufen.

9-Punkte-Checkliste: Wie du Spiel unter Hunden erkennen kannst

1. Im Spiel geht es nur ums Spielen

Im Spiel zeigt dein Hund Verhalten aus den verschiedensten Bereichen. Teile aus dem Jagd-, Aggressions- und auch Sexualverhalten werden verschieden miteinander kombiniert und miteinander vermischt.

Die Bewegungsmuster wechseln einander ab und werden unvollständig gezeigt, z.B. deutet ein Hund einen Nackenbiss an, springt dann zur Seite um sich vom anderen Hund verfolgen zu lassen. Die Bewegungen scheinen keinen Sinn zu haben. Es fehlt der Ernstbezug.

Spiel wird um seiner selbst willen gezeigt und verfolgt kein Ziel! Dem Hund geht es beim Spiel nicht darum Beute zu machen, einen Angreifer abzuwehren oder sich fortzupflanzen. Verfolgt dein Hund eins der drei Ziele, dann spielt er nicht.

Um dir deutlich zu machen, welches Verhalten du im Spiel finden kannst:

Jagdverhalten: Bei Jagdspielen wird der gejagte Hund wie Beute verfolgt, jedoch nicht getötet.

Aggressionsverhalten: Bisse werden im Spiel sehr gehemmt eingesetzt und angedeutet.

Sexualverhalten: Aufreiten wird gezeigt mit rein spielerischer Intention

2. Alle sind freiwillig dabei

Alle Beteiligten müssen spielen wollen und alle müssen das Spiel zu jeder Zeit beenden können.

Wenn sich das Spiel verändert, müssen alle Spielpartner einverstanden sein. Wechselt ein Rennspiel in ein eher körperbetontes Spiel mit Einsatz von Pfoten und Maul, müssen alle Spielpartner mitmachen wollen.

Spielen macht Spaß, weil das körpereigene Belohnungssystem aktiviert wird.

Das funktioniert nur, wenn der Hund freiwillig am Spiel partizipiert und nicht durch Bezugsperson oder andere Hunde unter Druck gesetzt wird. Versucht sich nur einer der Spielpartner zu entziehen, handelt es sich nicht mehr um Spiel.

3. Nur wer sich wohl fühlt, spielt

Nur in einem entspannten Umfeld kann Spiel statt finden.

Spiel wird sofort gehemmt, wenn der Hund ängstlich ist. Sobald mein Hund Paco sich unwohl fühlt durch ein lautes Knallen, wird Spiel sofort abgebrochen oder er hat keine Lust darauf. Du kennst sicher Hunde, die nur Zuhause spielen und sich dort trauen, aber ansonsten nur sehr schwer zu motivieren sind.

Schmerzen lösen Angst aus und wenn deinem Hund etwas weh tut, wird er nicht spielen wollen.

Auch Hunger und Durst sorgen dafür, dass dein Hund nicht in Spielstimmung kommt. Mir selbst geht es genau so – wenn ich hungrig bin, dreht sich zu viel im Kopf um den nächsten Smoothie.

Es ist super, wenn du unterwegs Wasser für deinen Hund dabei hast. Ist der Durst gestillt, kann es weiter gehen mit den wilden Rennspielen.

Im Übrigen hast du damit auch wieder ein Argument gegen die gängige Praxis, dass Hunde vor dem Spaziergehen und dem Training hungern sollten. Wenn du Spiel als Belohnung einsetzen möchtest, wird dein hungriger Hund sich darauf nicht einlassen können.

Plane das Füttern deines Hundes so ein, dass er lange genug nach dem Futtern ruhen kann und ziehe deine Futterbelohnungen von der Tagesration ab.

Geht es deinem Hund nicht gut, dann wird kein Spiel stattfinden.

4. Rollenwechsel

Das Spiel unter Hunden sollte ausgeglichen sein. Hunde passen am besten zusammen, wenn sie einen ähnlichen Spielstil bevorzugen. Mein Hund Paco mag am liebsten Rennspiele. Körperbetonte Spiele sind nicht sein Ding. Da er öfter Probleme im Bewegungsapparat hat, mag er kein Rempeln und Schubsen. Wenn sein Spielpartner dazu übergeht, beendet Paco das Spiel und geht weiter.

In den Rennspielen wechselt Paco dann zwischen dem Jäger und dem Gejagten. Der Rollenwechsel ist ein wichtiges Merkmal von Spiel

Bei Hunden, die sich sehr gut kennen, kann es aber vorkommen, dass man keinen Rollenwechsel hat. Überprüfe einfach, ob die anderen Punkte auf der Checkliste vorhanden sind.

Rollenwechsel

5. Kurven

Auch die Körpersprache deines Hundes hilft dir bei der Einschätzung, ob es sich um Spiel handelt.

Im Spiel siehst du vor allem eine entspannte und kurvige Wirbelsäule beim Hund. Die Rute als Verlängerung der Wirbelsäule wird meist niedrig gehalten, zeigt keine Anspannung und wird bei Rennspielen als Ruder benutzt.

Auch die Bewegungen deines Hundes im Spiel sind kurvig und weich. Es fehlt dem Körper und den Bewegungen an Spannung.

Kurven

6. Übertreibungen

Grimassen schneiden gehört zu jedem guten Spiel. Dein Hund zeigt übertriebene Bewegungen – er kann sein Maul ganz weit aufreißen, sodass du alle Zähne begutachten kannst, dabei hängt seine Zunge entspannt zur Seite raus. Das kann auf dich gefährlich wirken, aber das übertriebene Maulaufreißen, gehört zum Spiel. Ein Hund würde sich nicht auf seine eigene Zunge beißen. Ein drohender Hund zeigt auch seine Zähne, reißt dabei aber sein Maul nie sperrangelweit auf.

Hunde zeigen übertriebene Bewegungen und hüpfen wie kleine Ziegenböcke durch die Luft, hauen mit ausladender Pfote auf den Kopf des anderen Hundes oder rollen sich über den Boden, während ihre Beine in der Luft strampeln.

Übertreibungen

7. Selbsthandicap

Hunde nehmen sich im Spiel freiwillig und bewusst zurück. Sie legen sich hin, setzen bewusst wenig Kraft ein, laufen langsamer – das kennst du unter Selbsthandicap.

Bei einem Rennspiel mit hoher Geschwindigkeit richten sich die Hunde im besten Fall seitlich zueinander aus. So entsteht bei keinem Spielpartner ein Missverständnis und alle wissen, dass es sich um Spiel handelt.

Selbsthandicap

8. Kurze Unterbrechungen

Im Idealfall steigt und sinkt die Erregung der Hunde. Damit das Spiel nicht kippt, unterbrechen die Hunde sich während des Spiels immer wieder kurz. Im besten Fall aller 60 Sekunden. Dadurch wird vermieden, dass die Gemüter sich zu sehr erhitzen.

Solltest du im Spiel beobachten, dass keine kurzen Pausen stattfinden, dann beobachte das Treiben und rufe deinen Hund ab, um selbst eine kurze Pause zu schaffen.

9. Spielsignale

Spielsignale werden vom Hund genutzt, um seinem Spielpartner deutlich zu zeigen, dass es sich gerade um Spiel handelt und er keine ernsten Absichten hat.

Spielsignale beim Hund sind bislang nicht ausreichend erforscht und wir kennen nur ein reines Spielsignal.

Mark Bekoff hat die Vorderkörpertiefstellung beobachtet und als play bow bezeichnet.

Er hat festgestellt, dass diese Körperhaltung zwei Funktionen hat.

– bei der Kontaktaufnahme wird die Spielabsicht kommuniziert

– wenn es zu eskalieren droht, wird die Spielabsicht kommuniziert

Vorderkörpertiefstellung kannst du bei deinem Hund als Spielsignal erkennen, wenn
•seine Vorderbeine weit auseinander sind
•die Mimik des Hundes weich und beweglich ist
•die Rute des Hundes unterhalb der Rückenlinie ist

Achtung Verwechslungsgefahr!

Die Vorderkörpertiefstellung ist nicht immer ein Spielsignal. Hunde nutzen sie auch in sozialen Konflikten bei der Begegnung oder wenn sie um eine Ressource verhandeln.

Den sogenannten prey bow erkennst du daran, dass
•die Vorderbeine parallel und eng zueinander gehalten werden
•der Rutenansatz oberhalb der Rückenlinie getragen wird
•die Mimik des Hundes nach vorn gerichtet ist

Spielsignale

Fazit

1 – Im Spiel geht es nur um das Spielen. Es gibt keinen Ernstbezug.

2 – Im Spiel ist jeder freiwillig dabei und kann jederzeit aufhören.

3 – Wohlfühlen ist wichtig, ansonsten wird kein Spiel gestartet.

4 – Durch den Rollenwechsel im Spiel wird der Jäger auch immer wieder zum Gejagten.

5 – Kurvige und weiche Bewegungen gehören im Spiel dazu. Anspannung und einen steife Wirbelsäule finden keinen Platz.

6 – Übertreibungen in den Bewegungen und im Ausdrucksverhalten sind ein eindeutiges Indiz für Spiel.

7 – Sich selbst zurücknehmen in Kraft und Geschwindigkeit kennst du als Selbsthandicap.

8 – Kurze Unterbrechungen helfen vor Überhitzung.

9 – Ein eindeutiges Spielsignal ist der play bow (Vorderkörpertiefstellung). Der Hund teilt damit seine Spielabsicht mit. Achtung – es besteht Verwechslungsgefahr mit dem prey bow.