Leinenführung

Auf meinen Spaziergängen beobachte ich sehr viel, dass die Hunde links an der Leine geführt werden. Bei dieser Leinenführung handelt es sich immer um eine kurze Leinenführung, d.h. der Hund muss „Fuss“ laufen.

Die Menschen sind es gewohnt rechts zu laufen, es kommt mir fast ein bisschen vor, wie der Rechtsverkehr auf der Strasse. Kommt es dann zu einer frontalen Begegnung, müssen die Hunde nebeneinander kreuzen. Was ich hier beobachte, sträubt mir jedes Mal die Nackenhaare.

Die Hunde versuchen an ihren kurzen Leinen krampfhaft zu beschwichtigen, weil ihnen der Raum für eine für Hunde normale Begegnung fehlt. Sie drehen den Kopf ab und verdrehen die Augen, so dass man die weisse Lederhaut zu sehen bekommt. Den Hunden wird jede Möglichkeit zum Bogenlaufen genommen.

Woher kommt dieses „der Hund muss auf der linken Seite laufen“?
Wer Begleithundkurse oder Obedience-Kurse besucht, wird dies so lernen. Entstanden ist diese Führung in der Schutzhund-Szene. Der Grund. Die Dienstwaffe der Polizisten wird rechts getragen, die Hand muss frei sein, um an die Dienstwaffe greifen zu können (ich weiss jetzt nicht, wie das bei Linkshändern angewandt wird…???). Eine unsinnige Idee für alle zivilen Hundehalter! Diese bilden ja schlussendlich die Mehrheit in der Hundeführung.

Bei einer frontalen Begegnungen mit anderen Hund erleichtert man das Kreuzen, in dem man als Mensch dazwischenläuft und so das Splitting übernimmt. Führt man seinen Hund auf der dem entgegenkommenden Hund abgewandten Seite, erhält er zusätzlichen Raum um sein für ihn typisches Bogenlaufen zu ermöglichen. Eine Begegnung mit anderen Hunden kann so für beide Seiten entspannter erfolgen.
Bei Linkshalter-Begegnungen weiche ich mit meinem Hund in einem Bogen möglichst in den Wald oder auf die Wiese aus oder versuche mir die linke Seite des Weges ergattern. In diesem Falle führe ich meinen Hund dann auch auf der linken Seite. Dies geht ohne Problem, weil er nicht darauf trainiert wird, stur auf einer Seite zu gehen. Damit erleichtere ich meinem Hund, aber auch dem anderen Hund die Begegnung.

Eine richtige und sanfte Leinenführung ist das A und O für die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Wer sie einmal kennt, mag gar nicht mehr anders mit seinem Hund spazieren.

Natürlich muss fast jeder Hund lernen, dass der Spaziergang ohne an der Leine zu ziehen für beide Seiten angenehmer ist. Einem Hund kann dies mit einer einfachen und sanften Lernmethode beigebracht werden. Je nach Hund benötigt es etwas mehr oder weniger Zeit.

Was ich aber mit Bestimmtheit sagen kann, der Hund lernt nicht in wenigen Stunden, nicht mehr an der Leine zu ziehen. Trainer oder Trainerinnen, welche solche Versprechen abgeben, arbeiten mit fragwürdigen Hilfsmitteln.

Zu einer guten Leinenführung gehören ein Brustgeschirr und eine mindestens 3 m lange Leine. Flexileinen sind ungeeignet. Bei einer Flexileine ist der Hund immer „auf Zug“ und lernt dadurch nie, was es heisst, an einer lockeren Leine zu gehen.

Natürlich braucht es auch für den Menschen ein bisschen Übung mit einer längeren Leine richtig umgehen zu können. Aber der Mensch darf ja auch etwas lernen, es muss ja nicht immer nur der Hund sein.

Das Brustgeschirr muss gut auf den Hund abgestimmt sein, also nicht zu gross und nicht zu klein/eng. Halsbänder sollten nur verwendet werden, wenn medizinische Gründe gegen ein Brustgeschirr sprechen. In einem solchen Fall sollte das Halsband möglichst breit sein.

Was kann bei schlechter Leinenführung mit einem Halsband geschehen?
Es ist nichts gegen ein Halsband einzuwenden, solange keine Leine daran hängt. Beobachten Sie einmal, wie oft unbewusst an der Leine gezogen oder gezupft wird. Ein Leinenzupfer am Halsband ist immer einer zuviel. Auf vielen Hundesportplätzen und in vielen Hundeschulen wird der Leinenimpuls (Leinruck) leider immer noch praktiziert.

Ein gut sitzendes Brustgeschirr drückt weder auf den Kehlkopf noch beeinträchtigt es den Hund in seiner Bewegungsfreiheit. Da wir in mitteleuropäischen Ballungsgebieten wohnen ist es unvermeidlich, dass unseren Hunden immer wieder etwas Interessantes begegnet. Dadurch kann es passieren, dass der Hund in die Leine springt. Jetzt stellen Sie sich diese Situation mit einem Halsband vor. Das ist ungefähr so, wie wenn sich ein Mensch den Sicherheitsgurt im Auto um den Hals legen würde.

Diese gesundheitlichen Probleme können beim Hund durch falsche Führung an Halsbänder entstehen:

• Schäden an der Wirbelsäule
• Schäden am Kehlkopf
• Schäden an der Schilddrüse
• Schäden an der Luftröhre
• Schäden an der Lunge
• Zu hoher Blutdruck
• Erhöhter Augeninnendruck
• Aggressionsbereitschaft kann erhöht werden
• Veränderte Körpersprache

Schäden an der Wirbelsäule:
• Schleudertrauma
• Bandscheibenvorfall, beides vor allem bei dünnen Halsbändern!
• degenerative Veränderungen an Wirbelkörpern
• Knorpeldefekte!

Schäden am Kehlkopf:
• Chronische Kehlkopfentzündung
• Kehlkopfblutungen
• Nervenschädigungen, vor allem bei grösseren Rassen Knorpel können brechen

Schäden an der Schilddrüse:
Es können Quetschungen hervorgerufen werden. Folgen davon sind Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse. Erhöhte Aktivität oder Inaktivität sind sichtbare Anzeichen dafür.

Schäden an der Luftröhre:
Durch den Zug entstehen innere Narben, welche oft Verengungen mit sich führen. Ebenso Chronische Entzündungen sind die Folge.

Schäden an der Lunge:
Lungenödem = Wasser in der Lunge – vor allem bei Welpen besteht diese Gefahr! Durch den Versuch einzuatmen, aber vom Halsband abgeschnürt, kommt es zum Unterdruck in den Lungenbläschen. Dadurch wird die Membran der Lungenbläschen durchlässig und Wasser kann eindringen -> Lungenödem

Erhöhter Blutdruck:
Durch das Abschnüren der Blutzirkulation zum Gehirn meldet dieses „mehr Blutzufuhr“ da es unterversorgt ist. Deshalb erhöht der Körper den Blutdruck um die Blutversorgung des Gehirns gewährleisten zu können. Ein erhöhter Blutdruck ist die häufigste Ursache von Schlaganfall – nicht nur beim Menschen!

Erhöhter Augeninnendruck:
Durch den Zug am Halsband erhöht sich der Augeninnendruck. Folgen davon sind:
• Kopfschmerzen
• Nebelsehen
• Trigeminusschmerz ( Nerv von der Schläfe zum Ober- und Unterkiefer)
• Übelkeit bis hin zum Erbrechen
• Sehvermögen kann auf Dauer reduziert werden

Aggressionsbereitschaft kann erhöht werden:
Hierzu muss man wissen, wie ein Hund lernt. Da er nicht sein Verhalten, sondern das Geschehen einer Situation zuordnet, lernt ein Hund sehr schnell, an der Leine aggressiv zu reagieren. Ein Hund nähert sich z.B. einem anderen Hund, wird weggerissen, da der Hundeführer nicht möchte, dass er zu ihm hingeht. Der Hund meint, dass der andere Hund ihm den Schmerz am Hals zugeführt hat und wird bei einer nächsten Begegnung mit ihm versuchen ihn weg zu bellen, da es sonst wieder schmerzt. Der Hundeführer ist oftmals dem Irrglauben erlegen sein Hund sei aggressiv. Dieser möchte aber nur dem Schmerz ausweichen. Hunde die von Welpenalter an ein gutes Brustgeschirr tragen, sind im Alter weniger mit Leinenaggressivität auffällig als Halsband tragende Hunde.

Veränderte Körpersprache:
Die Körpersprache wird durch das ruckartige Anheben des Halses und Vorderkörpers verstellt. Dadurch wirkt der Hund angriffsbereit. Muskelverspannungen und Muskelverhärtungen verstärken eine unkorrekte Körpersprache.

Es gibt zwei Gründe, die für ein Halsband sprechen:
Angst, der Leinenimpuls könne nicht richtig wirken.
Angst davor, die Kontrolle über den Kopf des Hundes zu verlieren.
Über beides sollte man genau nachdenken!!! (Zitat: Dr. Ute Blaschke-Berthold)

Kann man ein souveräner Hundeführer sein, wenn man Angst hat? Nein. Kontrolle untergräbt das Selbstvertrauen beim Hund und gibt dem Menschen nur eine Scheinsicherheit. Niemals schafft sie ein Vertrauensverhältnis zwischen Hund und Mensch.

Mit freundlicher Genehmigung von Michèle Roncaglioni-Dellsperger (hundetraining.spirit-of-animals.ch)

Ich bin ganz Ihrer Meinung!!!